... hat sich bei mir als Geschenk herausgestellt. Nicht nur in der vergangenen Corona-Zeit sind mir einige elementare Dinge bewusst geworden - gerade, was meine Arbeit und mein Engagement in verschiedenen Bereichen anbelangt. Kurzum: Ich bin etwas mehr bei mir selbst und meinem Selbst-Bewusstsein angekommen.
Jo
Diesen Beitrag widme ich vor allem Menschen, die ihre Blockaden in puncto gesellschaftliche Integration, Liebe, Ängste, Traumata und Verluste mit psychoaktiven Mitteln zu dämpfen versuchen. Denn: Ich habe selbst viele Jahre zu ihnen gehört.
Wenn wir in unser Kinderzeit Dinge erlebt haben, die uns mit Todesangst und Schmerz konfrontierten und mit welchen wir in jenen Momenten nicht adäquat umzugehen wussten, haben wir oft ganz wunderbare Strategien entwickelt, mit der überfordernden Situation zurecht zu kommen. Strategien, die uns ein ganzes Leben lang begleiten. Strategien, die mit jedem Male, wenn wir sie un(ter)bewusst angewandt haben, ausgefeilter und komplexer wurden. Eigentlich ein toller Schutzmechanismus, der es einem Baby ermöglicht, zu überleben. Die Bewältigung eines Traumas zum Selbstschutz. Jedoch: Nicht ganz wirkungslos.
Die Verhaltensstrategien sind breit gestreut: Wut, Aggression, angstbasiertes Verhalten, Misstrauen usw. Die Ursachen erscheinen banal: Hunger und andere basale Bedürfnisse. Beispiel: Ein Baby, welches vor Hunger schreit, verspürt Todesangst, zu verhungern und macht lautstark auf sich aufmerksam. Aber was passiert, wenn niemand kommt? Das Baby weint sich in den Schlaf. Es flüchtet in die 'Bewusstlosigkeit' - denn dort gibt es keinen Hunger.
Mit jeder darauffolgenden Situation, die uns im späteren Leben begegnet, und die dieser 'Ur-Situation' ähnelt, geraten wir regressiv erneut in diesen Zustand. Und all das passiert zumeist völlig unbewusst. Nebenbei. Wir denken, dieses Handeln gehöre zu unserem Charakter.
Dass uns genau diese automatisierten Verhaltensweisen zunehmend Probleme bereiten, fällt erst viel später auf. Manchmal gipfeln sie in tragischen Streits, Burn-Outs oder Schlimmerem.
Letzten Endes liegt unter all dem: Die Angst vor Schmerz, die Angst vor Tod.
Irgendwann ist es dann an der Zeit - gerade im Jugendalter -, dass wir mit immer komplexeren Formen von Schmerz konfrontiert werden. Die grausame Außenwelt überlädt uns aufs Geratewohl mit schmerzhaften Situationen, die wir nicht alle einwandfrei bewältigen können. Um zum obigen Beispiel zurück zu kommen: Ein Baby, das früh gelernt hat, durch Bewusstlosigkeit (die Situation verlassen) dem Schmerz zu entgehen, merkt sich diesen 'Erfolg', solange es mit diesem Verhalten erfolgreich bleibt.
Die Bewusstlosigkeit und Betäubung von Schmerzen durch den Gebrauch von psychoaktiven Substanzen erscheint dabei ein einfacher Weg. Natürlich war ich mir damals oberflächlich der gesundheitsgefährdenden Nebenwirkungen von Marihuana, Amphetamin und MDMA bewusst. Aber eben nur oberflächlich - tief in mir drin hatte ich eine ganz besondere Beziehung zu diesen Substanzen.
Sie gaben mir Sicherheit! Sicherheit, entspannt zu sein: Drei Tage wach mit 5g Gras abzuschließen klappte immer. Sicherheit, verlässlich und aktiv zu sein: Mich locker drei Tage wach zu halten und auch danach noch zu funktionieren gab mir ein Gefühl von Verantwortung. Sicherheit, nur die Emotionen zu fühlen, die ich Fühlen möchte: Mit Extasy auf Extase - so lange, wie es eben noch wirkte, denn MDMA verliert bei Dauerkonsum schnell an Wirkung. Das war die Sicherheit, dass ich selbst meine Zustände kontrollierte - nach außen unverletzbar. Innerlich total abgeschnitten. Von mir - und vor allem von Menschen, die mich immer noch liebten.
Mir wäre es an dieser Stelle wichtig, anzumerken, dass ich bis heute vom effektiven medizinischen und therapeutischen Gebrauch vereinzelter Substanzen überzeugt bin. Doch in welchem Ausmaß ich fast zehn Jahre meines Lebens diesen Substanzen widmete, war weder medizinisch noch therapeutisch.
Letzten Endes hat die Polizei meine 'Karriere' beendet. Damals war ich stinksauer - heute bin ich dankbar. Ich beschloss, clean zu werden.
Aber was passierte mit all dem Schmerz? Zehn Jahre Betäubung und Dunkelheit? Er war noch da - und wie ein Raubtier, dass man zehn Jahre lang ohne Licht und Liebe aber mit reichlich Futter versorgt und eingesperrt hatte, sprengte dieser langsam aber sicher seine Ketten. Da war ich dann ganz tief unten - aber aufgewacht.
Bis heute arbeite ich mit dem Schmerz. In vielen Situationen ist er für mich ein alter Kumpel geworden - manchmal überwältigt er mich immer noch. Der Yoga-Weg hat mich gelehrt, dass es beim Yoga vor allem darum geht, mit dem Schmerz umzugehen. Ihn anzunehmen. Das Leiden zu akzeptieren. Nicht in die Bewusstlosigkeit zu gehen, sondern die Verbindung zu halten: Zu mir, dem Leben, den Menschen und alles Wunderbare, das mich umgibt.
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